Beim diesjährigen Teamtreffen der VerhandlungsWerkstatt-Trainer und -Trainerinnen starteten wir mit der Sammlung von Fragen, die Teilnehmer:innen in den Verhandlungstrainings oft stellen. Hier im Blog werden wir uns immer mal wieder einer Frage annehmen und sie für alle beantworten.
Frage 4:
„Was kann ich tun, wenn ich in einer Verhandlung merke, dass gelogen wird?“
Unsere Antwort:
Zunächst einmal gibt es typische Anzeichen, auf die Sie achten können, verbal wie nonverbal, die Lügen in Verhandlungen entlarven. Dabei reicht eine einzelne Beobachtung nie aus, erst Muster machen verdächtig.
Bemerken Sie Verhaltensänderungen?
Menschen haben einen gewissen Verhaltensstil und wenn der sich plötzlich verändert, kann das ein Warnsignal sein. Achten Sie auf Nervosität (z. B. vermehrtes Blinzeln, Stimmschwankungen, schnelleres Sprechen), auf übertriebene Gelassenheit (z. B. zu kontrollierte Mimik, sehr langsames Sprechen) und auf abweichende Körpersprache im Vergleich zum bisherigen Gesprächsverlauf.
Was fällt Ihnen in Sprache und Inhalt auf?
Vage Aussagen wie „so in etwa“, „soweit ich weiß“ oder „ich glaube“, zu viel Erklärung, ausweichende Antworten und Widersprüche sind typische sprachliche Indizien für Lügen.
Wie sind die Reaktionen auf gezielte Rückfragen? Lügner:innen tun sich schwer mit Details oder mit Konsistenz bei wiederholtem Nachfragen. Bitten Sie um konkrete Beispiele oder Daten.
Wenn Sie jetzt einen Lügenverdacht haben, bringt es in der Regel nichts, Ihr Gegenüber direkt zu konfrontieren. Das vergiftet die Beziehung und führt zu Abwehr oder Eskalation. Vielleicht irren Sie sich ja auch? Nutzen Sie stattdessen Ihre Beobachtung als Risikohinweis und passen Sie Ihre Verhandlungsstrategie entsprechend an.
Bewerten Sie zunächst das Risiko, indem Sie sich folgende Fragen stellen:
- Was steht auf dem Spiel, wenn die Aussage falsch ist? Geht es „nur“ um einen Liefertermin – oder um rechtliche, finanzielle oder versorgungskritische Konsequenzen?
- Wie wahrscheinlich ist es, dass die Aussage nicht stimmt? Haben sie Widersprüche, unklare Antworten, schwache Belege bemerkt?
- Wie kritisch ist der Punkt für meine Entscheidung? Ist er die Grundlage für einen Abschluss, eine Zahlung, einen Vertragsentwurf?
Je höher das Risiko, desto stärker sollten Sie gegensteuern. Reagieren Sie taktisch klug, souverän, ohne Eskalation.
- Bauen Sie beispielsweise zusätzliche Sicherheiten ein, etwa „Ich gehe gerne mit, wenn wir das in der Auftragsbestätigung konkret verankern.“
- Fordern Sie Dokumentationen ein: „Schicken Sie mir das gerade bitte noch einmal schriftlich mit Datum.“
- Vertagen Sie das Thema: „Das Thema lassen wir offen, bis wir klare Infos haben. Ich würde gern XY klären.“
So stellen Sie sicher, dass Ihr Risiko abgefedert wird, ohne den Vorwurf auszusprechen.
Sie wollen mehr über das Lesen von Menschen in Verhandlungen erfahren? In unserem Teil 2 → „Psychologie in Verhandlungen“ übertragen wir neueste Erkenntnisse aus Psychologie und Neurowissenschaften auf Verhandlungssituationen.